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Was ist ein Hohlkreuz? Und welche Pilates Übungen stärken Deinen unteren Rücken?


Titelbild zum Artikel mit der Autorin vor einer Studiowand mit einem Endloszeichen und daneben Möwen

In meinen Pilatestrainings herrscht recht häufig die Meinung vor, dass der untere Rücken auf der Matte aufliegen muss bei Übungen in Rückenlage. Und eben davon überzeugt sind, wenn das nicht der Fall ist, im Hohlkreuz zu sein.

Ich erinnere mich recht häufig zurück an meinen Pilateslehrer in Berlin, Brasilianer. Sein Spruch war immer "Die Deutschen und ihr Hohlkreuz". Weil auch ich damals mit meinem Rücken zu tun hatte. Es gibt definitiv genetische Unterschiede, wie stark der untere Rücken gekrümmt ist und das als normal empfunden wird. In Deutschland ist dieses Empfinden definitiv anders als in Brasilien.


Sehr oft hat es tatsächlich mit den statischen Sitzhaltungen zu tun, die früher oder später Probleme bereiten. Das andere 'Extrem' - das aufrechte Stehen - wird dann unangenehm bis hin zu schmerzhaft empfunden.


Um sich das besser vorstellen zu können, fange ich in diesem Artikel mit der Anatomie der Wirbelsäule an und führe Dich schrittweise durch bis zu den effektiven Pilatesübungen, die Dir helfen die Bauchmuskeln so zu stärken, dass Du Dich mit der natürlichen Wölbung der unteren Wirbelsäule wieder sicher fühlst.



Inhalt dieses Artikels:




Bild mit Aufforderung zur Newsletteranmeldung


Die natürliche Form der Wirbelsäule


Die natürliche Form der Wirbelsäule ist eine leichte S-Kurve.


Diese leichte Krümmung des unteren Rückens bzw. der Halswirbelsäule heißt Lordose bzw. ganz genau 'Krümmung nach vorn'. Die Krümmung Brustwirbelsäule heißt Kyphose bzw. 'Krümmung nach hinten'.


Um es noch einmal zu betonen, beides sind natürliche Formen. In ganz seltenen Fällen ist die Wirbelsäule auch ganz gerade.


Grafik mit einem menschlichen Körper in natürlicher S-Kurve


Wann sprechen wir von einem Hohlkreuz bzw. einer Hyperlordose?


Schaust Du einen Menschen mit einer natürlichen Lordose von der Seite an, kannst Du einen geraden Strich ziehen: senkrecht vom Ohr weiter nach unten mittig über die Schulter, Hüfte und Fußknöchel.


Bei einem Menschen mit einem Hohlkreuz ist das Becken nach vorn gekippt, das Steißbein liegt höher als normal und der Bauch wölbt sich mehr vor (die senkrechte Linie). Man spricht hier umgangssprachlich von einem Hohlkreuz bzw. einer Hyper-Lordose.


Aber oft ist nicht nur die Lendenwirbelsäule davon betroffen, sondern das hat auch Auswirkungen auf die Brustwirbelsäule, die dann eine stärkere Krümmung aufweist, um den veränderten Schwerpunkt auszugleichen. Oder auch die Beine sind oft gestreckter, damit die Fußknöchel hinter der senkrechten Linie und nicht mehr mittig.



Vergleich zweier menschlicher Silhoutetten mit  normaler Lordose und Hyper-Lordose
links eine Lordose und rechts eine Hyper-Lordose im Lendenbereich

Es gibt jedoch keine wissenschaftlich eindeutige Aussage, ab wann eine Lordose zu einer Hyper-Lordose wird. Das Hohlkreuz wird als Haltungsstörung angesehen und nicht als Krankheit. Erst bei Schmerzen - im schlimmsten Fall Bandscheibenprobleme - wird es behandlungsbedürftig. Es lohnt sich also, rechtzeitig selbst aktiv zu werden.


Was führt zu einem Hohlkreuz?


In der heutigen Zeit ist dies wohl am ehesten zurückzuführen auf eine geschwächte Muskulatur, z.B. durch zu viel sitzen, einseitige Bewegungen und Haltungen. Und sehr menschlich ... erst darauf aufmerksam zu werden, wenn es schmerzhaft wird. Und auch die Schmerzen müssen oft ein erhebliches Niveau erreichen, damit sie wirklich nicht mehr ignoriert werden.


Aber auch Verletzungen und Unfälle sind Ursache für Haltungsänderungen. Das muss gar nicht direkt den unteren Rücken betroffen haben. Möglich sind auch Schonhaltungen die nach Verletzungen oft unbewusst eingenommen werden,


Besonders häufig führt die Schwangerschaft bei Frauen (vorübergehend) zu einem Hohlkreuz. Aber auch das Tragen von hochhackigen Schuhen unterstützt das Hohlkreuz, da sich das Becken aufgrund des geänderten Körperschwerpunkts automatisch vorkippt.


Ein Hohlkreuz hat diverse Auswirkungen auf unsere Physis: Die Lendenwirbelsäule wird unbeweglicher und das simple Abrollen oder z.B. Sachen vom Boden aufzuheben wird mühsamer. Durch die Kippung des Beckens wird auch der Gang selbst verändert und kann zu Schmerzen beim Gehen und Stehen führen.


Welche Muskeln müssen trainiert werden bei einem Hohlkreuz?


Ganz wichtig ist hierbei der Hüftbeuger. Gerade durch zu viel sitzen - woraus der heutige Alltag überwiegend besteht - verkürzt dieser Muskel und die Spannung wird bei einer Streckung der Hüfte zu groß. Das Becken ist leicht nach vorn gekippt, um diese Spannung abzumildern.

Tatsächlich besteht der Hüftbeuger aus 3 Muskeln: Psoas Major, Psoas Minor und Iliacus. Die Psoas Muskeln entspringen der Lendenwirbelsäule, der Iliacus dem oberen Beckenrand. Alle drei einden am Oberschenkelknochen. Diese Muskelgruppe verbindet in einzigartiger Weise Ober- und Unterkörper. Und wie der Name schon andeutet, können wir dank ihm den Oberschenkel zur Hüfte heben bzw. den Oberkörper zum Bein senken.


Ganz wichtig sind zudem die Bauchmuskeln, mit deren Hilfe der Oberkörper stabilisiert, aufgerichtet, gebeugt, geneigt und gedreht werden kann. Bei einem Hohlkreuz wölbt sich der Bauch mehr als üblich nach vor, die Bauchmuskeln sind geschwächt. Gerade die tiefen Bauchmuskeln sind nicht kräftig genug, den Oberkörper ganz aufzurichten.


Auf der Körperrückseite sind die Rückenstrecker involviert. Das sind mehrere Muskeln, die sich die gesamte Wirbelsäule entlangziehen und am Becken enden.


Last but not least gibt es die Hüftstrecker. Der größte Muskel dabei ist der große Pomuskel bzw. Gluteus Maximus. Besonders gut spürbar bei der klassischen Übung Schulterbrücke.


Grafik einer Frau in der klassischen Pilatesübung Schulterbrücke
Schulterbrücke

Es ist erkennbar, dass wie alles im menschlichen Körper auch die Ausrichtung der Lendenwirbelsäule einem sehr komplexen Zusammenspiel verschiedener Muskeln unterliegt. Die Bauchmuskeln sind jedoch besonders zu trainieren und zu stärken und haben einen direkten Effekt auf die anderen beteiligten Muskeln und deren verbessertes Zusammenspiel. In erster Linie ist es ein Muskeltraining, dennoch ist viel Ausdauer dabei gefragt😉. Perfekt dafür geeignet sind die 5 Pilatesübungen, die ich Dir im nächsten Abschnitt vorstelle.


5 effektive Pilatesübungen, die einem Hohlkreuz vorbeugen oder es verkleinern.


  1. Wandpilates: Abrollen und Aufrollen

    1. Effekt: Wahrnehmung der eigenen Haltung und das wirbelweise Rollen

    2. Ausführung:

      1. Du stehst mit dem Rücken an Tür oder Wand, die Füße eine Fußlänge entfernt. Die Arme hängen locker.

      2. Spüre zuerst, wie Du an der Wand stehst: das Becken, der Brustkorb und Hinterkopf berühren die Wand. Die Schultern ziehst Du ganz leicht in Richtung Wand. Die Arme hängen locker, Hände sind NICHT an der Wand.

      3. Mit dem Ausatmen senke den Kopf, roll den Oberkörper langsam Wirbel für Wirbel ab, bis nur noch das Steißbein in Kontakt mit der Wand ist. Roll wieder auf, kippe dabei das Becken etwas und bringe den unteren Rücken zuerst wieder an die Wand.

      4. Mache die Abfolge mindestens 5 mal und spüre bei jeder Wiederholung, wie die Wirbelsäule beweglicher wird.

    3. Bild: Deine Wirbelsäule ist eine Perlenschnur. Jede Perle löst sich einzeln von der Wand beim abrollen, genauso andersherum beim aufrollen.



  2. Single Leg Stretch

    1. Effekt: Training der Bauchmuskeln

    2. Ausführung:

      1. Du bist in Rückenlage, die Beine sind gebeugt.

      2. Hebe das rechte Bein in einen 90° Winkel. Mit dem Ausatmen zieh den Oberschenkel näher zum Bauch ran. Mit dem Einatmen strecke das Bein aus, sodass beide Knie sich berühren. Wechsel auf die linke Seite.

      3. Beide Beine sind gehoben, das rechte Bein gebeugt und rangezogen, das linke Bein gestreckt. Mit dem Einatmen wechselst Du: streckst das rechte Bein und beugst das linke. Mit dem Ausatmen wieder wechseln.

      4. Für ein intensiveres Bauchmuskeltraining, hebe den Kopf und roll bis auf die untersten Schulterblattspitzen auf. Drücke die Handflächen fest auf die Matte.




  3. Lower Lift

    1. Effekt: Stärkung der Bauchmuskeln

    2. Ausführung:

      1. Lege die Hände unter den Kopf und drück den Kopf in die Hände.

      2. Mit dem Ausatmen aktivierst Du die Bauchmuskeln und hebst die Beine in einen 90° Winkel. Mit dem Einatmen senkst Du die gebeugten Beine und hältst den Bauch und damit unteren Rücken stabil. Mit dem Ausatmen wieder in die Ausgangsposition zurückheben.

      3. Für ein intensiveres Bauchmuskeltraining, hebe den Kopf und roll bis auf die untersten Schulterblattspitzen auf. Drücke den Kopf weiter in die Handflächen.



  4. Schulterbrücke

    1. Effekt: Stärkung der Hüftstrecker & Dehnung Hüftbeuger

    2. Ausführung:

      1. Du bist in Rückenlage, die Beine sind gebeugt.

      2. Mit dem Ausatmen kippe das Becken, dass Du kräftig die Pomuskeln spürst und der untere Rücken auf der Matte liegt. Roll auf in die Schulterbrücke. Nur soweit, wie das Becken sich heben lässt und Du die Hüftöffnung deutlich spürst.

      3. Mit dem nächsten Ausatmen roll Wirbel für Wirbel wieder ab.


        Die Autorin in der klassischen Pilatesübung Schulterbrücke

  5. Spine Stretch Forward

    1. Effekt: Dehnung Lendenwirbelsäule & gesamte Wirbelsäule

    2. Ausführung:

      1. Die Füße sind mattenbreit geöffnet und flex, die Beine leicht gebeugt.

      2. Du hast das Gefühl, mit dem Rücken wieder an der Wand zu sein. Mit dem Ausatmen den Kopf senken und die Wirbelsäule abrollen, den unteren Rücken etwas nachziehen. Bleibe auf den Sitzhöckern sitzen, evtl. setzt Du Dich auf den Fußboden für diese Übung. Mit dem einatmen wieder aufrollen und vorstellen, dass Du jeden Wirbel einzeln zurück an die Wand bringst.

      3. Beim dritten Abrollen nacheinander die Beine strecken und weitere 3 Male ab- und aufrollen.

    3. Bild: Du hast wieder das Gefühl, aufrecht an der Wand zu sitzen und die Wirbelsäule wie eine Perlenschnur ab- und aufzurollen.




Wie lange dauert es, ein Hohlkreuz zu korrigieren?


Hier stelle ich meinen Kunden immer gern eine Gegenfrage: "Wie lange hat es Dich gebraucht, das Hohlkreuz zu bekommen und wie lange schon versuchst Du es zu ignorieren?". Geduld ist in jedem Fall erforderlich. Noch viel wichtiger aber ein regelmäßiges Training über einen längeren Zeitraum.


Wie lange dauert es denn jetzt nun? Tatsächlich kommt es ganz darauf an: wie ausgeprägt Dein Hohlkreuz ist, wie sportlich Du insgesamt bist und wie gezielt Du die relevanten Muskeln trainierst. Beschäftigen Dich Rückenschmerzen im Lendenbereich, ist der erste Gang zum Orthopäden oder zumindest Physiotherapeuten. Auch um festzustellen, welche Ursache die Rückenschmerzen tatsächlich haben.


Mit einem gezielten Training wird es 3-4 Monate dauern, um die ersten Veränderungen selbst wahrnehmen zu können. Auch zu spüren, wie die Muskeln interagieren und die Haltung sich verändert. Auch mit einem konsequenten Training kann es schon bis zu einem Jahr dauern, bis das Hyper wieder gestrichen werden kann. Veränderungen und Verbesserungen sind aber vorher auch schon spürbar. Lass Dich also nicht entmutigen und bleib dran an Deiner neuen Routine. Und erkenne auch kleinste Veränderungen an.


Was kannst Du direkt für Deinen Alltag beachten, um Deinen Rücken zu unterstützen?


Wie so oft ist die Antwort wie ein Puzzle, dass zusammengefügt das ganze Bild ergibt. Ich gehe hier auf die aus meiner Sicht wichtigsten Punkte ein.


🧩 aufrechte Körperhaltung: Bauchmuskeln und Körperspannung sind essentiell, statt zusammengesunken wieder aufrecht sitzen zu können. Das trainiert nicht nur den unteren Rücken, sondern auch die Muskulatur entlang der Brustwirbelsäule. Hierbei denken wir oft zuerst an den Arbeitsplatz. Jedoch zu oft auch zu hause auf der Couch ist die Körperhaltung alles andere als hilfreich für einen gesunden Rücken. Oft sind es die kleinen Änderungen, die sich schon deutlich bemerkbar machen.

🧩 bewegte Minipausen: Es ist bekannt, dass Sitzen das neue Rauchen ist. Also gönn Dir in regelmäßigen Abständen kleine Pausen, um Deinen Körper durchzubewegen. Sei es,

  • das Fenster öffnen und im Stehen tief durchatmen,

  • in der Mittagspause noch Zeit für einen Spaziergang einplanen (bei jedem Wetter),

  • zum Kollegen oder Nachbarn gehen statt telefonieren,

  • bei der Arbeit die Spülmaschine ausräumen und bewusst in die leichte Hocke gehen und lang strecken,

  • Treppensteigen.........

Bestimmt hattest Du beim lesen spontan eigene Ideen. Schreib sie Dir auf statt sie sofort wieder zu vergessen. Und nimm Dir einen Zeitraum, es auszutesten. Was auch immer am einfachsten für Dich war, mach es weiter!

🧩 Sport: Gelenke und Muskeln brauchen Bewegung für Kräftigung und mehr Flexibilität, aber auch um gut versorgt zu sein und weiterhin zuverlässig und schmerzfrei zu funktionieren. Und auch hier die Mischung macht's - einem Puzzle auch ähnlich. Die Muskeln und Gelenke brauchen Kraft & Beweglichkeit und das Herz Ausdauer. Wahrscheinlich hast Du schon etwas, was Du halbwegs regelmäßig machst (oder es Dir zumindest vorgenommen hast). Bleib dran und schau was ergänzend dazu passt. Du musst Dich nicht sofort festlegen, probiere verschiedene Sachen aus und dann trainiere erst einmal für einige Monate. Nur so findest Du heraus, welchen Effekt es für Dich hat.

🧩 Stressausgleich: Stress und Druck machen sich körperlich ganz real bemerkbar, z.B. durch eine viel flachere Atmung und und gebeugte Körperhaltung. Besonders vor dem Schlafengehen mach Dir bewusst, wie sich Dein Körper gerade anfühlt und was Du tun kannst, BEVOR Du ins Bett gehst. Bewusste, ruhige Atmung ist ein Zaubermittel, auch um den Körper aufzurichten.

🧩 erholsamer Schlaf: Hier geht es darum, herauszufinden was Dir hilft, tief zu schlafen UND morgens ausgeruht aufzustehen. Dazu gehören Kopfkissen und Bettdecke, Fenster geöffnet oder geschlossen, die Matratze. Vielleicht sogar wo das Bett im Raum steht.


Diese Anregungen sind natürlich nicht vollständig und tragen für sich allein nicht dazu bei, das Hohlkreuz zu verändern. Aber sie sind ein wichtiger Baustein für unser Wohlbefinden. Ein Hohlkreuz entwickelt sich nicht von heute auf morgen und hat neben über längere Zeit statischen Fehlhaltungen diverse andere Einflüsse. Diese Tipps in Deinen Alltag zu integrieren hat in jedem Fall einen Einfluß, Deinen Rücken und somit Deine Wirbelsäule gesund zu erhalten.


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